Tageslicht beim Bauen und Wohnen einplanen
Tageslicht in Architektur und Planung
In einer Zeit, in der wir Menschen den weitaus größten Teil unserer Zeit in geschlossenen Räumen verbringen, ist künstliches Licht alltäglich. Dabei ist der menschliche Körper durch tausende Jahre Entwicklung an ein Leben im Außenraum angepasst.
Unsere visuelle Wahrnehmung und viele physiologische Abläufe des Menschen sind auf das natürliche Licht der Sonnenstrahlung abgestimmt. Nicht zuletzt aufgrund des verbesserten Komforts hat sich unsere Aufenthaltszeit im Innenraum jedoch stetig verlängert und ließ uns sozusagen in den Innenraum übersiedeln.
- Wir verbringen 90 % unserer Zeit in Innenräumen ohne genügend Tageslicht und frische Luft.
- Und wir denken gar nicht mehr darüber nach.
- Die Wissenschaft zeigt, wie schädlich dies für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sein kann.
Daher muss in moderner Architektur Tageslicht als Gestaltungsmittel eine zentrale Rolle spielen. Das Ergebnis sind Lebens-, Arbeits- und Wohnräume, die mehr Lebensqualität bieten und den Alltag mit einer ursprünglicheren Lebensart verbinden. Eine durchdachte Architektur versucht, die optimale Verbindung zwischen drinnen und draußen zu schaffen – quasi als Kompromiss zwischen Innenraum und Tageslicht.
Für die optimale und individuelle Anordnung der Fenster sowie die richtige Größe sind in der architektonischen Planung von Gebäuden vor allem folgende Gegebenheiten zu beachten:
- Strahlungsverhältnisse
- Himmelsrichtung
- Baukörperform
Entscheidend für die Lebensqualität ist eine durchgehende Versorgung mit Licht zu jeder Tages- oder Jahreszeit. Daher sollte für ausreichend Tageslicht beim Dachausbau mit Fenstern unbedingt darauf geachtet werden, Fenster entsprechend dem Verlauf der Sonne anzuordnen. Auch die ideale Nutzung der Räume ist von der Ausrichtung der Fenster abhängig und unterliegt natürlich auch den individuellen Bedürfnissen.
Tageslichteinfall bestimmt das Raumgefühl
Tageslicht ist nicht gleich Tageslicht, denn wie, wann und woher das Licht in die Räume dringt, hat eine wesentliche Auswirkung auf die Lichtstimmung. Das Raumgefühl wird vom Tageslichteinfall und von den Ausblicken durch die Fensteröffnungen bestimmt – Tageslicht ist damit eins der zentralen Elemente der Inneneinrichtung.
Eine gelungene, abgestimmte Beziehung zwischen innen und außen hat einen wesentlichen Einfluss auf das Wohlbefinden. Unterschiedliche Lichtstimmungen werden durch gezielt gesetzte Fensteröffnungen erzeugt und sorgen dafür, dass Räume ständig anders wahrgenommen werden. Auf den Punkt gebracht: Räume leben durch Tageslicht – und durch Tageslicht erleben wir Räume.
Flachdach-Fenster füllen den Raum mit frischer Luft und viel Tageslicht - auch an bewölkten Tagen. © Patricia Weisskirchner | Baukooperative
Tageslicht bei Flachdächern
Während sich im Steildach das Dachflächenfenster längst etabliert hat, wurde das Thema Belichtung beim Flachdach erst später mit der Kombination aus Lichtkuppel und einem Fenster aus Verbundsicherheitsglas gelöst. Die Verbindung von Kuppel und Fenster minimiert auch den hörbaren Einfluss von Wind oder Regen.
Durch Dachflächenfenster für Schrägdächer und Flachdach-Fenster lässt sich gezielt Licht in die Raumtiefe lenken. So ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Architekten und Hausbesitzer zu Lichtkuppeln, Oberlichtern oder Lichtbändern greifen. Das von oben einfallende Licht wird durch die Wände und Möbel in seiner Wirkung zusätzlich hervorgehoben. Die Flachdach-Fenster sorgen zu allen Jahreszeiten – sowohl bei hoch- als auch tiefstehender Sonne – für eine ausbalancierte Belichtungssituation.
Tageslichtplanung als zentrales Element der Entwurfsphase
Licht in der Morgendämmerung ist 50 Mal heller als Bürobeleuchtung, mittags ist die Beleuchtungsstärke sogar 500 bis 1.000 Mal höher. Tageslicht-Architektur bedeutet nicht, Glashäuser zu bauen – es geht vielmehr um die strategische Positionierung von Fenstern, Oberlichten, Dachflächenfenstern, Flachdachfenstern und ähnlichen Belichtungselementen zur Erreichung eines Belichtungsniveaus, das den menschlichen Anforderungen Rechnung trägt.
Wie bedeutend der Unterschied mit oder ohne zusätzliche Tageslichtquelle ist, zeigt die Visualisierung mit dem VELUX Daylight Visualizer. Die Tageslichtplanung während der Gestaltungsphase stellt sicher, dass der gesamte neue Wohnraum ausreichend mit Licht versorgt werden kann. Das durch Flachdach-Fenster eindringende Zenitlicht (Licht von oben) bietet an trüben Tagen dreimal mehr Licht als Horizontlicht (Licht von der Seite).
Somit ist auch an Schlechtwettertagen für eine entsprechende Grundhelligkeit gesorgt. Das sogenannte Diffuslicht, auch weiches Licht genannt, ist weder von der Himmelsrichtung noch vom Ort abhängig. Durch die optimale Verteilung der Lichtquellen im Raum werden zusätzlich Materialität und Kontraste hervorgehoben. So entsteht nicht nur eine lebendige Optik im Raum, auch Herausforderungen bei der Belichtung der Raumtiefe werden gelöst.
Tageslicht für die Gesundheit
Exkurs: Warum Tageslicht besser ist als künstliches Licht
Der zirkadiane Rhythmus des Menschen, besser bekannt als die „innere Uhr“, richtet sich nach der Farbe des Lichtes bzw. seiner Farbtemperatur und steuert diverse Vorgänge im Körper, wie etwa den Hormonhaushalt oder auch den Schlafrhythmus. Das Tageslicht der Sonne deckt zudem das gesamte Lichtspektrum ab. Das tatsächlich sichtbare Licht umfasst nur einen Bereich von 380 bis 780 Nanometer, dies ist besonders dann sichtbar, wenn die Sonnenstrahlen durch ein Glasprisma gebrochen werden.
Künstliche Lichtquellen decken nur einen Teil dieses Lichtspektrums ab, wodurch besonders die Anteile für die Hormonsteuerung des Menschen fehlen. Durch die ständige Bestrahlung mit Kunstlicht kann der innere Rhythmus gestört werden. Es ist daher essenziell wichtig, dass gezielt Fenster oder Glasflächen positioniert werden, um eine ausreichende Versorgung mit natürlichem Licht zu gewährleisten.
Dachfenster lassen Tageslicht in Hausecken, die vorher dunkel waren.
Tageslicht und Vitamin D
Tageslicht kurbelt nicht nur unseren Kreislauf an, sondern fördert auch die Bildung von Vitamin D, das für gesunde Haare, Knochen und Zähne wichtig ist, aber auch die Funktionsweise unseres Immunsystems beeinflussen kann. In einer US-Studie aus Denver verglichen die Wissenschaftler den Vitamin D-Status und das Gesundheitsniveau von rund 19.000 Männern und Frauen.
Das Ergebnis: Je weniger Vitamin D im Blut enthalten ist, desto höher ist die Häufigkeit von Erkältungen und Grippe. Probanden mit einem niedrigen Vitamin D-Spiegel waren zudem anfälliger für Atemwegserkrankungen. Licht und Vitamin D sind somit eng miteinander verknüpft: Durch ausreichend Tageslicht kann der Vitamin D-Gehalt im Körper um bis zu 90 Prozent gesteigert werden.
Tageslicht und Depressionen
Viele Menschen leiden in den lichtarmen Monaten unter einer gedrückten Stimmung. Aber woher kommt das eigentlich? Unsere urzeitlichen Vorfahren verbrachten die meiste Zeit ihres Lebens im Freien, starteten den Tag mit dem ersten Lichtstrahl und beendeten diesen mit der untergehenden Sonne.
Heutzutage ist unser Biorhythmus durch einen Mangel an Tageslicht in Innenräumen mitunter gestört. Insbesondere im Winter kann sich dies auf die Stimmung auswirken und sogar den Ausbruch psychischer Krankheiten wie Depressionen begünstigen. Mediziner und Psychologen sind sich einig, dass man mit Tageslicht Depressionen vorbeugen und sogar heilen kann. Nicht zuletzt deshalb wird bei der Planung von Krankenhäusern, Schulen, Büros und Wohnhäusern dem Einsatz von Tageslicht ein besonderer Stellenwert eingeräumt.
Tageslicht zur Behandlung von Krankheiten
Studien belegen, dass die positiven Effekte des Tageslichts auch im Krankenhaus- und Pflegebereich genutzt werden können. Bei Patienten mit psychischen Problemen zeigen sich positive Auswirkungen von Tageslicht vor allem in den frühen Morgenstunden nach dem Sonnenaufgang.
In einer medizinischen Studie waren Babys, die tagsüber mehr Tageslicht und nachts keinem künstlichen Licht ausgesetzt waren, nach ihrer Entlassung deutlich aktiver als Babys, die ihre ersten Tage bei relativ gleichmäßiger Beleuchtung erlebt hatten.
Auch Stress und Schmerzen werden unter dem Einfluss von Tageslicht weniger stark empfunden: Bei Patienten, die in helleren Räumen untergebracht waren, konnte die Dosis der Schmerzmittel im Vergleich zu Patienten in dunkler gelegenen Zimmern um 22 Prozent reduziert werden. Auch die Arbeitsqualität des medizinischen Personals steigt mit dem Anteil des Tageslichts: Forschungen zufolge beeinflusst das Beleuchtungsniveau die Häufigkeit von Ausgabefehlern bei Medikamenten sowie die Qualität der Dokumentationen in den Krankenstationen.
Tageslicht beim Lernen und Arbeiten
Kaum zu glauben, aber wahr: In den 60er und 70er Jahren herrschte vielerorts die Meinung, dass in Schulgebäuden Fenster die Schüler ablenkten, den Energieaufwand sowie Wartungs- und Reparaturkosten erhöhten und ein Sicherheitsrisiko darstellten. Das hatte zur Folge, dass Schulen in einigen Bundesstaaten der USA völlig ohne Fenster geplant wurden. Auch Seminarräume wurden so geplant, dass eine Aussicht für die Nutzer dieser Räume bewusst vermieden wurde.
Dabei sind ein Ausblick nach draußen und eine hohe Tageslichtmenge – das wissen wir heute – essenzielle Faktoren für das Wohlbefinden beim Lernen und Arbeiten. Zudem verringert Tageslicht die Anfälligkeit für Kopfschmerzen, schützt vor Überanstrengung der Augen und mitunter sogar vor Übelkeit und Depressionen. Diese Erkenntnis bedeutet allerdings nicht, Gebäude ausschließlich aus Glas zu bauen – neben Überhitzung kann vor allem die Blendung auch negative Auswirkungen haben. Für die Entfaltung der vollen Leistungsfähigkeit sollte der Lichteinfall bestenfalls individuell regulierbar sein.
VELUX Sunlighthouse in der Nähe von Wien: Selbstversorgung mit Strom, fünfmal mehr Tageslicht, automatische Belüftungssysteme. © Adam Mork | HEIN-TROY Architekten
Tageslicht spart Energie
Neben seiner gesundheitsfördernden und ästhetischen Wirkung hilft natürliches Licht auch beim Energiesparen, indem es den Stromverbrauch durch Licht reduziert. In großen Gebäuden mit vielen Aufenthalts- und Nebenräumen ist die Notwendigkeit von zugeschaltetem künstlichen Licht durchaus ein Kostenfaktor. Gerade Licht von oben ist bei Gebäuden wie Einkaufszentren und Büros, aber auch Krankenhäusern, Schulen sowie in der Kindergartenarchitektur eine ideale Lösung, um viel Tageslicht blendfrei tief ins Gebäudeinnere zu lenken und Räume gleichmäßig zu belichten.
Wichtig dabei ist eine gesamtheitliche Betrachtung von energieeffizienter Planung – gerade im Hinblick auf die Bauphysik – und der späteren Nutzung. Dass sich diese unterschiedlichen Qualitätsmerkmale eines Gebäudes nicht ausschließen, ist am Beispiel des VELUX Sunlighthouse in Österreich (Link auf Englisch) zu sehen. Bei diesem zukunftsweisenden Hauskonzept wird der Energieverbrauch des Gebäudes seinem Bezug zur Umwelt und dem gesunden Raumklima gleichwertig gegenübergestellt.